Materialien der Zukunft

Stabil, günstig und exotisch: 2D-Kristalle in einem Sandwich aus Graphen

23. Oktober 2023 von Redaktion
Wissenschafter*innen der Uni Wien präsentieren spannende "Materialien der Zukunft": Im Interview erklärt der Physiker Kimmo Mustonen, wie man 2D-Kristalle in einer Hülle aus Graphen erzeugt und was dieses besondere Sandwich ermöglicht.
Fügt man zwei Graphen-Schichten zusammen, bleibt dazwischen noch ein bisschen Platz: Den nutzen die Forscher*innen der Uni Wien, um 2D-Kristalle darin wachsen zu lassen. Derart geschützt können sie nur schwer zerstört werden. So stellt sich unsere Illustratorin Andreia Rocha dieses Materialien-Sandwich vor. © Illustration: Andreia Rocha

Rudolphina: Kimmo Mustonen, Ihrem Team ist es gelungen, ein neues 2D-Material zu entwickeln: Kupfer- und Iod-Atome, die in Graphen eingekapselt sind. Sie bezeichnen das als "Graphen-Sandwich" – wie kann man sich das vorstellen?

Kimmo Mustonen: 2D-Materialien, dazu gehört eben Graphen, sind dünne Atomschichten in einem chemisch gesättigten Zustand. Das heißt, dass sie keine kovalenten Bindungen mit anderen Verbindungen eingehen. Wenn man nun zwei Graphenschichten nimmt und zusammenbringt, halten diese zwar zusammen – aufgrund der sogenannten Van-der-Waals-Wechselwirkungen, das sind die selben Kräfte, die es beispielsweise Geckos ermöglichen, kopfüber an der Decke zu klettern. Aber es bleibt dennoch ein winziges Volumen an Raum zwischen den Schichten. Durch chemische Synthese können wir diesen "Zwischenraum" noch ein wenig erhöhen und darin andere 2D-Komponenten wachsen lassen.

Genau das haben wir mit Kupfer- und Iodid-Kristallen gemacht, die außerhalb des Graphen gänzlich instabil wären und sich sofort selbst zerstören würden. Mit dieser Methode können wir nun auch andere 2D-Materialien in Graphen wachsen lassen, von denen manche extrem nützlich für bestimmte Anwendungsfelder sind, wie beispielsweise Optik oder Katalyse. Das Graphen-Sandwich schützt die eingekapselten Materialien vor der chemischen Umwelt, so dass sie nur sehr schwer zerstört werden können.

Rudolphina: Drei Worte, die dieses innovative Material aus Ihrer Sicht am besten beschreiben ...?

Mustonen: Stabil, günstig und exotisch!

Rudolphina: Was macht das Graphen-Sandwich so besonders?

Mustonen: Es gibt zurzeit keinerlei günstiges 2D-Material, abgesehen von exfoliertem Graphen, das sich für praktische Anwendungen eignen würde. Die Wachstumsmethode, die wir für die Herstellung des in Graphen eingeschlossenen 2D-Kupferiodids verwendet haben, ermöglicht es nun, neuartige Materialien zu schaffen, die in großen Mengen und zu günstigen Preisen produziert werden können.

Rudolphina: Was ist die Superpower des Graphen-Sandwiches?

Mustonen: Es schützt die darin synthetisierten 2D-Materialien vor äußeren Erschütterungen. Werden sie beispielsweise zur Katalyse von chemischen Reaktionen verwendet, dann können die Nebenprodukte der Reaktion den Katalysator, der von einer einzelnen Graphenschicht geschützt ist, nicht kontaminieren. Diese Materialien sind also an der Luft gänzlich stabil, wodurch auch ihre Lagerung und Produktion einfach ist.

Rudolphina: Wo gibt das neue Material der Forschung noch Rätsel auf?

Mustonen: Sowohl die Materialien als auch die Methoden, die wir einsetzen, um sie herzustellen, sind gänzlich neu. Jetzt geht es darum, die Chemie dahinter im Detail zu verstehen, also wie komplexe und vielseitige 2D-Materialien in einer Graphen-Kapsel synthetisiert werden können.

The graphene sandwich: A single layer of cuprous iodide encapsulated in between two sheets of graphene (gray atoms)
Und so haben die Wissenschafter*innen das Graphen-Sandwich visualisiert: Zu sehen ist eine einzelne Schicht Kupferiodid, eingeschlossen zwischen zwei Graphen-Schichten (graue Atome). © Kimmo Mustonen, Christoph Hofer und Viera Skákalová

Serie: Wissenschafter*innen präsentieren "Materialien der Zukunft"

In dieser Serie stellen Wissenschafter*innen der Uni Wien jeweils ein "Material der Zukunft" vor: das neu und vielversprechend ist oder unsere Gesellschaft in der Vergangenheit besonders geprägt hat. Nächste Woche gibt Annette Rompel vom Institut für Biophysikalische Chemie Einblicke in die Welt der Polyoxometallate (POMs). POMs zeigen eine bemerkenswerte Vielfalt in ihren Strukturen und Anwendungsmöglichkeiten, von Katalysatoren bis hin zu Materialien für die Medizin. Zur Serie

Rudolphina: Woran arbeiten Sie und Ihr Team derzeit?

Mustonen: Der nächste Schritt besteht nun darin, die chemischen Prozesse, die während der Synthese ablaufen, im Detail zu analysieren und die physikalischen Eigenschaften der neuen Materialien zu bestimmen, um mögliche Anwendungsfelder auszuloten. Dazu müssen wir die Prozesse und Materialien auf antomarer und molekularer Ebene beobachten, das geht nur mit hochentwickelten und teuren Hightech-Forschungsgeräten. 

Rudolphina: Warum könnten 2D-Materialien im Graphen-Sandwich ein "Stoff für unsere Zukunft" sein?

Mustonen: 2D-Materialien können beispielsweise für Solarzellen zum Einsatz kommen. Solarpanele sind groß und benötigen in der Herstellung Unmengen an Materialien. Unsere 2D-Materialien im Graphen-Sandwich sind die ersten aktuell vorhandenen 2D-Materialien, die die Anforderungen in Bezug auf Produktionsmengen und Kosteneffizienz erfüllen. 

Rudolphina: Was möchten Sie mit Ihrer Forschung erreichen?

Mustonen: Mein persönlicher Traum ist es, dass sowohl die Menschheit als auch unser Planet von unserer Forschung und von neuen, energieeffizienten und umweltfreundlicheren Technologien, die durch 2D-Materialien ermöglicht werden, profitieren.

© Kimmo Mustonen
© Kimmo Mustonen
Kimmo Mustonen ist Experte für Van-der-Waals-Materialien und Elektronenmikroskopie. Seinen PhD schloss er 2015 an der Aalto Universität in Finnland ab, wo er an der Synthese und Anwendung von Kohlenstoffnanoröhren forschte. 2016 kam er an die Fakultät für Physik an der Universität Wien und ist hier derzeit Projektleiter.